Christbaum

Kein anderes „Requisit“ zur Weihnachtszeit erscheint uns so unerlässlich wie der lichtergeschmückte Tannenbaum. Seit der Antike wurden an Festtagen Häuser und Straßen mit  grünen Zweigen geschmückt. Im Hochmittelalter entstand der mit Lichtern geschmückte „Paradiesbaum“ der katholischen Kirchen und das „Paradiesspiel“, das zum Vorläufer des Nikolausspieles wurde. In den Hinterglasbildern lebt diese Vorstellung fort: Das Jesukind auf dem Kreuz unter dem Paradiesbaum liegend hebt die Erbsünde auf, der Apfelbaum der Sünde wird zum Baum des Lebens.
Die Salzburger Waldordnung von 1729/55 und die erzbischöfliche Winterverordnung von 1756, §29 „verbot Bächl- oder Weyhnachtboschen” abzuhacken. Die Tannwipfel wurden zum Schmuck der Höfe (außen!) wie zur Reinigung der Kamine verwendet.

Seit dem 15. Jh. wissen wir, dass in großen protestantischen Städten geschmückte Bäume verschiedener Art aufgestellt wurden, die für die bilderfeindlichen Protestanten Symbole des Weihnachtsfestes waren. Das „Licht Christi“ sollte die katholischen Weihnachtskrippen ersetzen. Der erste bekannte geschenktragende Baum wurde von den Bäckern in Freiburg/Br 1419 aufgestellt. Viele Zünfte in evangelischen Städten stellten Schüttelbäumchen für die Mitglieder und die Stadtarmen auf. Neben den bürgerlichen Handwerkszünften wurden auch die europäischen Fürstenhöfe wichtig, die ab dem 17. Jh. geschmückte Bäumchen für jedes Familienmitglied aufstellten.

Kurz nach 1800 setzte in Österreich der Siegeszug des Christbaumes ein, ausgehend von protestantischen Kaufleuten und Adeligen. 1813/14 finden sich viele Belege. Der erste Salzburger Christbaum stand 1826 (Adrian) oder 1828 (Prodinger) im Hause des aus Württemberg stammenden, evangelischen Spitzenhändlers Koch am Kranzlmarkt.
Seit 1800 entstanden Produktionen von Christbaumschmuck besonders im Erzgebirge aus Glas, Draht, Holz und Pappe. Der „Alpenländische Christbaum“, mit Strohsternen, Lebkuchen und Äpfeln, ist erst in den 1930ern entstanden.
Nicht nur in Salzburg ist der Christbaum mit einem zweiten, inzwischen internationalen Symbol der Weihnachtszeit verbunden: mit dem Lied „Stille Nacht! Heilige Nacht!” (um 1818, Text: Josef Mohr, Melodie: Franz Xaver Gruber; heute Kulturerbe der UNESCO), das einen Siegeszug durch die Welt antrat.
Das Bayerische Wörterbuch des Johann Andreas Schmeller von 1872-1877 – auch für Salzburg bedeutsam – kennt den Christbaum in der Bevölkerung noch nicht und nennt eine große Zahl an Volksbräuchen zwischen Advent und Dreikönig. 
Seit den 1830er Jahren eroberte der Christbaum öffentliche Räume wie Friedhöfe, Plätze und Kirchen. In Österreich standen in der Zwischenkriegszeit die ersten elektrisch beleuchteten Christbäume in Wien, z.B. vor der Oper. Seit 1959 wird jährlich ein Baum als Geschenk eines Bundeslandes an die Bundeshauptstadt vor dem Wiener Rathaus aufgestellt. In Österreich zieren seit der Jahrhundertwende Christbäume den Hintergrund der Hochaltäre in den Kirchen. Seit den 1930er bis 1950er Jahren ist der Christbaum in fast allen Haushalten zu finden.

Aus: Im Winter und zur Weihnachtszeit. Bräuche im Salzburger Land, CD-ROM 1,(SBzVK 13) Salzburg 2002, u.a.  U. Kammerhofer-Aggermann: Die Entwicklung des Christbaumes.

Inzwischen hat der Christbaum als Mittelpunkt von Weihnachten auch allen propagandistischen Versuchen, ihn in der Nazizeit zur germanischen „Jultanne" und zum mythischen Lebensbaum zu erklären, widerstanden und erlebte in der Nachkriegszeit als Zeichen des Friedens, unter dem die Familie wieder vollständig versammelt war, einen Höhepunkt. Das Wirtschaftswunder hat ihn vereinnahmt, die Jugend empfindet Unbehagen wegen des Zwangs zur oft nicht verspürten Harmonie. Dazu kommt noch die vorzeitige „Veröffentlichung“ und Vermarktung des Christbaums.

Aus: Euler-Rolle, Andrea: Zwischen Aperschnalzen und Zwetschkenkrampus, Linz 1993, S. 123-124

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