Maibaumaufstellen

Der Maibaum

Am 1. Mai wird in vielen Orten ein Maibaum auf einem zentralen Platz errichtet. Der Maibaum ist ein sichtbares Rechtssymbol aus dem frühen Mittelalter. Er hat im Laufe der Jahrhunderte vielerlei Ausgestaltungen und immer wieder neue Deutungen erlebt. Er war das weithin sichtbare Zeichen, dass nun das Wachstum auf Feldern und Wiesen nicht mehr gestört werden dürfe – also ein Betretungsverbot, das an mögliche Sanktionen bei Übertretung erinnerte. Er ist Bestandteil der seit dem Mittelalter beliebten Frühlings- und Maifeiern. 
Maibäume gehören zur „Familie der Festbäume“, zu der u. a. Kirtagbaum, Hüterbaum, Sonnwendbaum oder die Bäumchen zur Dachgleiche zählen. Maibaumfeste existierten seit dem Mittelalter, sind aber in der heute bekannten Form eine Erfindung des 19. Jh.s.  Die Verbreitung des Brauches setzte im 20. Jh. ein. „Dazu trug die nationalsozialistische „Brauchtumspflege“ bei, die das Aufstellen als angeblich „uraltes Symbol der erwachenden Natur“ für das ganze Reich anordnete. […]“ (Schmidt 1972).
Karl Adrian nennt 1924 („Von Salzburger Sitt’ und Brauch“) verschiedene Arten des Maibaum-Aufstellens, der Wettkämpfe und der Maibaumzier in Salzburg. Er verweist auf Lorenz Hübner, der 1793 einen Maibaum erwähnt, den die Berchtesgadener jährlich den Halleinern gegen eine Spende errichteten. (Adrian 1924, 119–123; Hübner 1793).

Belege über 800 Jahre Entstehungsgeschichte: 
„Bald nach der ersten Nachricht (Aachen, 1224) erfährt man 1230 von einem Maibaum am Babenbergerhof in Wien“ samt einer Maibaumkletterei. „Das Aufstellen und Schmücken war ebenso wie das anschließende Fest eine Pflicht der weltlichen Obrigkeit.“ Aus dem 17. Jh.  gibt es viele Quellen, die das Maibaumaufstellen belegen. (Schmidt 1972, 217 f.; Wolf 2000, 180 f.; Wolf 2012) Auch für 1466 ist ein Maibaum für Wien dokumentiert, und aus dem 16. Jahrhundert gibt es Belege für Reisigkränze und Girlanden als Maibaumschmuck. Nach Aufhebung der Grundherrschaften, nach der Revolution von 1848 und schließlich mit der Abwanderung vom Lande, bekamen Dorffeste eine neue Bedeutung als Anlässe der Integration und Identifikation. Der Maibaum wurde in Bayern im 18. Jh. mit Dorfwappen und Zunftzeichen geziert; diese wurden im 20. Jh.  gegen Trachtenpaare ausgetauscht. Im 19. Jh. wurde daraus oft ein „Freiheitsbaum“ des Bayerischen Königreiches (Kapfhammer 1977, 172 f. u. 188 ff). 
Nationale Ideen und politische Instrumentalisation
Im 19. Jh. machte das Bedürfnis nach Naturmythen den Maibaum zum Fruchtbarkeitssymbol mit heidnischen Wurzeln, zum Hexenbaum der Walpurgisnacht etc. (Beitl 1974, Mannhardt 1904/05) Diese Meinungen wirken bis heute nach. Über Vereinsfeste vor und während der NS-Zeit kamen auch in Österreich Figuren und bunte Bemalungen auf den Maibaum.  Die NS-Zeit vereinnahmte den Maibaum für politische Kundgebungen und Sportveranstaltungen mit Hakenkreuzen geschmückt als germanisches Symbol. Die Maibaum-Feiern wurden speziell für Jugendliche mit Tänzen und Spielen inszeniert. (Kapfhammer 1977) Damit war der Maibaum nach 1945 für viele Menschen ein Symbol politischen Ungeistes. In Linz etwa wurde er erst wieder 1976 aufgestellt. (Wolf 2000, Kühberger 2003). 

Stehlen und Aufstellen des Maibaums
Der Baum soll in der Nacht auf den 1. Mai gefällt werden. In manchen Gegenden Österreichs soll und darf der Maibaum aus einem Wald gestohlen werden, das gilt sogar als Ehre für den Waldbesitzer. Dafür gibt es ungeschriebene Regeln, denn der Baum darf nicht zu wertvoll sein, es darf kein Waldschaden entstehen und es darf kein Armer geschädigt werden.  (Zeller 1902, 109 f.; Zillner 2003) Vom Schlägern des Baumes bis zur Mitternacht auf den ersten Mai muss der Baum bewacht werden, denn in dieser Zeit darf er gestohlen werden. Ist der Baum aufgestellt, dann darf bis Mitternacht nur mehr der Wipfel gestohlen werden. Motorsägen, Leitern und Gewalttaten sind dabei untersagt. Wurde der Baum gestohlen, dann ist das eine große Schande für die Burschen des Ortes und die Diebe lassen sich den Baum „teuer“ ablösen (mit Speis und Trank). 

Hinweise auf alte Traditionen und Bräuche
Für das Stehlen des Maibaums aus dem Wald (Zeller 1902, 109 f.) sowie durch die Nachbarschaften (1669 Beleg aus Gauting/Bayern bei Kapfhammer 1977, 175) und das Aufstellen wie Umschneiden sind viele regional unterschiedliche Bräuche bekannt. Diese „ungeschriebenen Gesetze“ werden heute auch von den Gerichten berücksichtigt, wenn es zu Streitigkeiten kommt. Teilweise wurde der Maibaum Ende Mai oder zu Pfingsten, meist zu Erntedank umgeschnitten. (ÖVA). 
Auch die Bearbeitung des Baumes ist regional unterschiedlich. In Österreich wird er der Äste entledigt und ganz oder in Spiralen mit dem Schepseisen (im Dialekt „Schöpser“) entrindet; nur der Wipfel bleibt erhalten. Das Maibaumkraxeln um die Ehre wie um die oben hängenden Preise (Wurstkränze) ist/war ein beliebter Wettkampf der Burschen.  Der Tanz um den Maibaum stammt vermutlich aus der Renaissance. Er wurde  im 20. Jh. von der Volkstanzbewegung stark verbreitet. (Wolf 2000, 181) Seit Jahren ist er in den Städten beliebt und eine Gelegenheit Dirndl und Lederhose auszuführen. (Kriechbaum 2012, 180 f.)
Die Buchreihe „Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild“ bringt im Band „Oberösterreich und Salzburg“ (1889) eine Zeichnung „Das Baumkraxeln“ und eine Beschreibung als Frühlingsbrauch (ohne konkretes Datum), der von Wirtshäusern veranstaltet wurde. Erwähnt werden das Wettkraxeln um den Wipfel und ein Umtrunk. (Abb. S. 145,  Litho Hugo Charlemont; Text  Lambert Gumpenberger:: Zur Volkskunde.) Die Verbote gegen das ausufernde Maibaumkraxeln durch Maria Theresia konnten den Brauch also nicht verhindern. (Wolf 2000, 180) 
Im selben Band der „Monarchie“ (1889) erwähnt Franz Zillner – der Spitalsvorstand, Sanitätsrat und Begründer der „Gesellschaft für Salzburger Landeskunde“ – das  Maibaumaufstellen: „Es naht der 1. Mai. Schon Tags vorher werden in den Dörfern Liefering, Maxglan, Gretig [Anm.: Grödig] auf den Felsenspitzen des Nocksteins und des Pabensteines (Barmstoa) bei Hallein ‚Maibäume‘ gesetzt; am frühen Morgen durchzieht Musik die Straßen der Hauptstadt und ein schulfreier Tag gestattet der Jugend größere Ausflüge in die Umgegend. Auf diesen Tag fällt die Besitznahme Salzburgs durch Österreich.“
1902 erschien sogar in Berlin ein Aufsatz über den Aberseer Maibaum, der weder Tanz noch Baumkraxeln erwähnt. „In der Nacht auf den ersten Mai wird von den Burschen eines Dorfes […] bei alleinstehenden Wirtshäusern, seltener vor dem Wohngebäude einer besonders begehrenswerten Dorfschönen ein Maibaum gesetzt.“  Der Maibaum wird zuvor aus einem Wald heimlich gestohlen und beim Aufstellen von den Mädchen mit Reisigkränzen und Fähnchen geschmückt. Er wird „von den Hausbesitzern jetzt als wohlerworbenes Eigentum betrachtet“ und musste wohl in irgendeiner Form honoriert werden. Hannelore Fielhauer nennt das Maibaumaufstellen als Ehrung eines vor der NS-Zeit  in Niederösterreich weit verbreiteten Brauchs. (Kapfhammer 1977, 177).

Text: U. Kammerhofer-Aggermann

 

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